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19. März 2024

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Das Hochleistungsmikroskop am Bungee-Seil

Das Hochleistungsmikroskop am Bungee-Seil© Bilderbox.com

Wenn man einzelne Atome abbilden will, darf das Mikroskop nicht wackeln. Um das zu erreichen entwickelte die TU Wien eine Schwingungsdämpfung für höchste Bildqualität.

Es gehört zu den präzisesten Messgeräten, die es heute gibt: Im Hochleistungsmikroskop am Institut für Angewandte Physik der TU Wien erzeugt man Bilder einzelner Atome, indem eine extrem feine Nadelspitze über eine Oberfläche bewegt wird. Die Position dieser Spitze muss dabei mit einer Präzision im Bereich von Picometern kontrolliert werden, das sind Milliardstel eines Millimeters. „Es ist als müsste man eine Nadel mit der Länge des gesamten Erddurchmessers mit einer Präzision im Millimeterbereich steuern“, erklärt Michael Schmid vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien.
Jede Art von Vibration kann das Messergebnis unbrauchbar machen, es ist entsprechend eine große technische Herausforderung aus einem solchen Mikroskop die optimale Leistung herauszuholen. An der TU Wien gelang das mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung, die selbst Schwingungen mit sehr niedriger Frequenz fast vollständig dämpft. Das ganze Mikroskop wurde auf Bungee-Seilen aufgehängt, eine elektronische Steuerung justiert die Aufhängung ständig nach, um das Gerät gerade zu halten. Diese neuentwickelte Schwingungsdämpfung wurde nun patentiert.

Zwei Millimeter Abstand zum Boden
Gelöst wurde das Schwingungsproblem, indem man das ganze Mikroskop an die Decke hängt, und das an Bungeeseilen, deren elastische Eigenschaften besonders gut geeignet sind, sogenannte niederfrequente Schwingungen zu dämpfen. Sie wurden in einer speziellen, verwinkelten Anordnung befestigt, um verschiedene Schwingungsrichtungen gleichzeitig dämpfen zu können. Die Vorrichtung schwebt dabei etwa zwei Millimeter über dem Boden, wo wiederum Abstandssensoren angebracht sind.
Ändert sich der Abstand, wird automatisch nachjustiert, indem einer von drei verschiedenen Elektromotoren an zusätzlichen Bungee-Seilen zieht. „Das ist wichtig, weil es während der Experimente zu Gewichtsverlagerungen kommt“, erklärt Michael Schmid. „Wir verwenden flüssigen Stickstoff, um unsere Proben zu kühlen. Der Stickstoffvorrat befindet sich direkt am Mikroskop, wenn er verdampft, wird er leichter – die Gesamtkonstruktion muss aber exakt horizontal bleiben.“

Spezielle örtliche Rahmenbedingungen
Mit dieser Spezialaufhängung gelang es schließlich, die Möglichkeiten des Hochleistungsmikroskops voll auszunützen – trotz des auf den ersten Blick ungünstigen Standortes. „Wir hätten sonst in ein anderes Gebäude ausweichen müssen, aber das hätte wiederum andere Nachteile mit sich gebracht“, sagt Ulrike Diebold. Sie wurde 2013 mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet, und ein Teil des Preisgeldes wurde in die Anschaffung eines besonders leistungsfähigen Mikroskops investiert, das Rastertunnelmikroskopie mit Rasterkraftmikroskopie verbindet.
„Anderswo hätten wir keinen so leichten Zugang zu flüssigem Stickstoff und flüssigem Helium. Die Infrastruktur für unsere Messungen ist eben genau hier im Freihaus der TU Wien mitten in der Stadt optimal, wo aber eben die Vibrationsverhältnisse alles andere als optimal sind“, erläutert Diebold. Mit der speziellen Vibrationsdämpfung wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Messungen erfolgreich durchgeführt und dadurch auch mehrere wissenschaftliche Publikationen ermöglicht. Nun wurde die Erfindung in Österreich patentiert und zudem auch eine internationale Anmeldung durchgeführt. „Wir hoffen natürlich, dass auch andere Institutionen unsere Idee aufgreifen und ebenfalls ihre Ergebnisse so drastisch verbessern können wie wir“, ergänzt Michael Schmid.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 13.04.2018