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29. März 2024

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Die Gletscher werden instabil

Die Gletscher werden instabil© pexels/gianluca grisenti

Ein gemeinsames Projekt von Akademie der Wissenschaften mit den Unis Innsbruck, Heidelberg und Zürich zeigt die zunehmende Instabilität von Gletscherformationen am Beispiel des Tiroler Öztals.

(red/mich) ForscherInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (OeAW) und der Universitäten Innsbruck, Heidelberg und Zürich zeigen mittels Kombination von historischen Daten mit Luftaufnahmen, Laserscans und neuen Messungen, dass der Blockgletscher im Äußeren Hochebenkar im österreichischen Ötztal im unteren Bereich durch wärmere Verhältnisse instabil wird.

Die genaue Beobachtung dieser Blockgletscher erlaubt ein besseres Verständnis der komplexen Fließdynamik und gibt Hinweise, wie sich klimatische Veränderungen auf die Bewegung der Blockgletscher auswirken. Die Methoden könnten künftig helfen, Gefahren, die durch auftauenden Permafrost entstehen, besser abzuschätzen. Für Laien sieht der Blockgletscher im Hochebenkar wie eine gewöhnliche Schutthalde aus, in Wahrheit ist er aber weitaus interessanter und informativer.

Geschichte des Blockgletschers von 1950 bis heute
“Blockgletscher sind Permafrostphänomene, Gemische aus Steinblöcken, Schutt und Eis, die stetig Richtung Tal kriechen. Wenn ein Blockgletscher nicht mehr gleichmäßig fließt, sondern in manchen Bereichen viel schneller wird und sich Risse bilden, spricht man von einer Destabilisierung“, erklärt Lea Hartl vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW. „Das Material verhält sich dann ähnlich wie bei einer Hangrutschung“, so Hartl. Eine solche Destabilisierung zeigt sich aktuell im Hochebenkar im unteren Bereich des Blockgletschers.

“In den letzten Jahren hat sich die Fließgeschwindigkeit stark erhöht und das vermehrte Auftreten von Spalten und Rissen an der Oberfläche zeigt, dass sich auch das Fließverhalten ändert. Der Klimawandel spielt hier sicher eine Rolle, aber wir haben durch die Analyse historischer Daten gesehen, dass es zwischen Anfang der 1950er-Jahre und Mitte der 1970er schon einmal eine Destabilisierung gegeben haben muss”, sagt Hartl.

Gefahr durch Steinschlag für Infrastruktur
Durch die Analyse von historischen Aufzeichnungen zur Bewegung des Blockgletschers und einzelner größerer Steinblöcke in Kombination mit Luftaufnahmen und von Drohnen durchgeführten Laserscans, konnten die Forscher die Geschichte des Blockgletschers von 1950 bis heute fast lückenlos analysieren und detaillierte Modelle erstellen.

“Wir sehen, dass solche Destabilisierungen für Blockgletscher zyklische Ereignisse sein können und wissen damit auch, dass sich instabile Bereiche wieder stabilisieren können, ohne dass der gesamte Blockgletscher in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber wenn es zu warm wird und der Permafrost im Blockgletscher taut, bleiben am Ende nur Geröllhaufen”, sagt Hartl.

Fortsetzung der Forschungen für besseres Verständnis
Im Hochebenkar ist eine Erholung derzeit nicht in Sicht. Der untere Bereich des Blockgletschers bewegt sich mit bis zu 30 Metern pro Jahr auf eine nahe gelegene Straße zu, die zur Versorgung einer Schutzhütte dient. Durch die schnelle Bewegung des Blockgletschers kommt es häufiger zu Steinschlag, der die Straße gefährdet. Durch moderne Werkzeuge wie GPS, Drohnen und hochauflösende Luftaufnahmen lässt sich die äußere Entwicklung von Rissen und Spalten im Geschiebe exakt erfassen, im Inneren ist das Verhalten aber noch wenig erforscht.

“Wir vermuten, dass flüssiges Wasser für die Destabilisierung eine wichtige Rolle spielt. Das Wasser dient als Gleitmittel und der Blockgletscher rutscht bergab. Je weiter der Blockgletscher nach unten fließt, desto wärmer wird die Umgebung und der Prozess beschleunigt sich. Diese Fließdynamik ist aber noch kaum erforscht“, erläutert Hartl. „Wenn wir die bestehenden Beobachtungen weiterführen und mit neuen Methoden ergänzen, haben wir gute Chancen, die Bewegung der Blockgletscher und die potenziellen Gefahren besser zu verstehen”, resümiert Lea Hartl vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

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red/mich, Economy Ausgabe Webartikel, 24.03.2023