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19. April 2024

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Grüne Kunststoffproduktion

Grüne Kunststoffproduktion© Pexels.com/freestocks.org

Wasser anstatt giftiger Stoffe. Die TU-Wien entwickelt umweltfreundliche Methode zur Herstellung organischer Kunststoffe.

(red/mich/cc) Zahlreiche Materialien aus dem alltäglichen Leben sind nicht nachhaltig und einige sind schädlich für Pflanzen oder Tiere. Andere wiederum beinhalten seltene Elemente, die nicht immer so leicht verfügbar sein werden wie heute. Ein entsprechend relevantes Forschungsthema sind daher verschiedene Materialeigenschaften auch durch neuartige organische Moleküle zu erzielen. Speziell organische Hochleistungsmaterialien, die nur häufige Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff oder Sauerstoff enthalten, könnten Ressourcenprobleme lösen – allerdings ist ihre Herstellung oftmals nicht unbedingt umweltschonend, da bei der Synthese solcher Materialien sehr giftige Substanzen zum Einsatz kommen - auch wenn das Endprodukt selbst ungiftig ist.

Die TU-Wien beschreitet nun einen anderen Weg: In der Forschungsgruppe für organische Hochleistungsmaterialien, geleitet von Miriam Unterlass an der Fakultät für technische Chemie der TU Wien, wird statt giftiger Zusatzstoffe nur heißes Wasser verwendet. Aktuell konnten nun zwei wichtige Polymerklassen mit dem neuen Verfahren erzeugt werden, ein wichtiger Schritt zur industriellen Anwendung der neuen Methode. Die Ergebnisse wurden nun entsprechend im renommierten Fachjournal „Angewandte Chemie“ veröffentlicht.

Hoher Druck und hohe Temperatur
„Wir forschen an sogenannten hydrothermalen Syntheseverfahren. Dabei arbeiten wir bei hohem Druck und hoher Temperatur, in der Größenordnung von 17 bar und 200° C“, erläutert Miriam Unterlass. „Wie sich zeigt, kann man bei solchen Extrembedingungen auf giftige Lösungsmittel verzichten, die man sonst für die Herstellung dieser Polymere benötigen würde“, so die TU-Expertin. Als „Grüne Chemie“ werden solche Methoden bezeichnet, mit denen man nicht nur die Endprodukte, sondern auch die Syntheseverfahren in der chemischen Industrie umweltschonender gestalten kann.

Bereits vor mehreren Jahren erzielte Miriam Unterlass mit dieser Technik erste Erfolge. „Es gelang uns beispielsweise organische Farbstoffe herzustellen, oder auch Polyimide – Kunststoffe, die aus der Luftfahrt- und aus der Elektronik-Industrie nicht wegzudenken sind. Das sorgte dann auch für großes Interesse seitens der Industrie“, sagt Unterlass. „Jetzt sind wir einen wichtigen Schritt weitergegangen und konnten verschiedene Polymer-Beispiele aus zwei hochinteressanten Kunststoffklassen synthetisieren – Polybenzimidazole und Pyrronpolymere.“

Neue Herstellungsverfahren
Polybenzimidazole verwendet man heute beispielsweise als Membranen in Brennstoffzellen, weil sie auch bei hohen Temperaturen säurebeständig sind und außerdem Protonen leiten können. Polybenzimidazolfasern finden sich auch in feuerfester Kleidung wie etwa den Schutzanzügen von Feuerwehrleuten. „Daran sieht man schon, dass es sich um richtige Super-Kunststoffe handelt“, so Unterlass. Pyrronpolymere hingegen eignen sich neben ihrer guten Stabilität auch zur Anwendung in Feldeffekttransistoren oder als leistungsfähiges und hochbeständiges Elektrodenmaterial in Batterien.

„Dass sich diese Polymere mit Hilfe unseres hydrothermalen Verfahrens herstellen lassen, ist bemerkenswert, weil die chemische Reaktionen zur Herstellung dieser Kunststoffe unter Normalbedingungen empfindlich gegenüber Wasser sind“, unterstreicht Unterlass. „Das zeigt, wie vielversprechend unsere Methode ist, für ganz unterschiedliche Einsatzbereiche.“ Die neue Herstellungsmethode für die beiden neuen Materialklassen wurde bereits mit Unterstützung des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien patentiert. Die elektrochemische Analyse der Produkte wurde in Kooperation mit dem Imperial College in London durchgeführt.

Links

red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 08.05.2020