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29. März 2024

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Dr. Google bitte dringend kommen

Dr. Google bitte dringend kommen© Pexels.com/Anna Shvets

Drastischer Rückgang von Krankenhausaufenthalten aufgrund der Corona-Pandemie. Besonders Patienten mit Atemwegserkrankungen holten im Lockdown Rat im Internet. Analyse der Uniklinik Innsbruck verdeutlicht Relevanz digitaler Gesundheitsangebote.

(red/czaak) Eine Vorerkrankung der Lunge gilt nach bisheriger klinischer Erfahrung als gesonderter Risikofaktor für einen schweren COVID-19 Infektionsverlauf. Trotzdem fanden sich während des Lockdowns im letzten Frühjahr kaum Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen unter den hospitalisierten COVID-19 PatientInnen an der Uniklinik Innsbruck. Ein Team von Lungenspezialisten der Medizinischen Universität Innsbruck hat dieses Phänomen nun genau analysiert.

Corona Krankenhausaufenthalte massiv gestiegen
Zeitgleich mit dem Ausbruch von COVID-19 in Österreich und seinen ersten großen Hotspots in Tirol mit dem sodann folgenden Lockdown (Anm. von 18. März bis 7. April 2020) verzeichneten die Ärzte an der Uni Klinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Innsbruck einen drastischen Rückgang von Krankenhausaufenthalten aufgrund von COPD (Anm. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Asthma.

„In erster Linie beobachteten wir im Vergleich zu Vorjahren einen markanten Rückgang der Krankenhausaufenthalte aufgrund von klassischen Lungenentzündungen, während die Rate an COVID-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten dramatisch angestiegen ist. Auch die stationären Aufenthalte aufgrund von Influenza waren in diesem Zeitraum stark minimiert“, berichten die Innsbrucker Lungenspezialisten Alex Pizzini und Ivan Tancevski. 

Ratsuche im Internet
Pizzini und Tancevski erörtern nun gemeinsam mit Sabina Sahanic, Anna Böhm und weiteren Kollegen der Universitätsklinik Innsbruck die These, dass Patienten mit Lungenerkrankungen sowohl das Krankenhaus wie auch Arztpraxen während des Lockdowns bewusst mieden und für Informationen zu Risiken, Therapien und akuten Problemen das Internet zu Rate zogen.

Um das gesundheitsbezogene Verhalten dieser Personen zu recherchieren, untersuchte das Team mithilfe der Analyse-Applikation „Google-Trends“ die Frequenz der globalen Suchanfragen nach COVID-19 Risikofaktoren wie Asthma, COPD, Bluthochdruck oder Diabetes. Die Ergebnisse der umfassenden Datenanalyse wurden nun aktuell im renommierten Journal „European Respiratory“ veröffentlicht.

Soziale Distanzierungsmaßnahmen senken Krankenhausbesuche
Um die Analyse nicht zu verzerren, beschränkten sich die ForscherInnen bei ihrer Suche hauptsächlich auf Industrienationen mit starker Internetnutzung sowie auf Länder, in welchen ähnliche Lockdown-Maßnahmen wie in Österreich umgesetzt wurden. „Bei der Abfrage nach den Themen ‚COPD‘ und ‚Asthma‘ beobachteten wir einen signifikanten Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren“, beschreiben Sabina Sahanic und Anna Böhm als Erstautorinnen der Studie eine zentrale Erkenntnis.

Themen wie „ACE-Hemmer“ sowie „Bluthochdruck“ und deren Zusammenhang mit schweren COVID-19 Verläufen wurden zwar in den Medien weitaus häufiger diskutiert als der Risikogehalt von Atemwegserkrankungen - trotzdem ergab die Analyse der Innsbrucker Experten für die Begriffe „Asthma“ und assoziierte Medikamente das höchste Suchvolumen im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus. „Daraus schließen wir, dass die Distanzierungs- und Schutzmaßnahmen zusammen mit Selbstmanagement-Empfehlungen möglicherweise die Krankenhauseintrittsrate bei Patienten mit Lungenerkrankungen gesenkt haben“, resümiert das Team um Ivan Tancevski. 

Pandemie belegt Stellenwert digitaler Gesundheitsberatung
Von COPD sind weltweit rund 294 Millionen Menschen betroffen, über drei Millionen sterben pro Jahr daran. Etwa 268 Millionen Menschen leiden weltweit an Asthma, so Zahlen der Med Uni Innsbruck. Das führe zu einer enormen Belastung des Gesundheitssystems. Entsprechend richtet die „Globale Initiative für chronisch obstruktive Lungenerkrankung“ (GOLD) ihr Hauptaugenmerk auf Empfehlungen zur regelmäßigen Anwendung einer Bronchinen-Therapie.

Auch die Globale Initiative für Asthma (GINA) empfiehlt ausdrücklich die Fortsetzung von Inhalationstherapien, insbesondere die Erhaltungstherapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS). „Auch wenn die persönliche Versorgung und Behandlungen nicht ersetzt werden können, sollte eine weitere Verbesserung der digitalen Gesundheitsberatung für PatientInnen mit Asthma und COPD unbedingt forciert werden“, so die Forderung der Innsbrucker ÄrztInnen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 19.10.2020