Meilenstein in der Behandlung von Herzschwäche
Herzmedizinern der Innsbrucker Uniklinik gelingt erstmals Regeneration von Herzmuskelzellen. Speziell entwickelte Stoßwellentherapie belebt inaktive Zellen und fördert neue Blutgefäße.
(red/czaak) Eine Stoßwellentherapie bei gleichzeitiger Bypass-Operation belebt inaktive Herzmuskelzellen wieder und fördert zudem die Entstehung neuer Blutgefäße. Final verbessert sich damit die Pumpleistung des Herzens maßgeblich – und damit die Lebensqualität der betroffenen Menschen. Zusammengefasst ist das die Erkenntnis langjähriger Forschungsarbeit an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Das renommierte European Heart Journal publizierte bereits die bahnbrechenden Ergebnisse einer klinischen Studie.
Das dafür in Innsbruck speziell entwickelte Stoßwellengerät soll Anfang 2025 auf den Markt kommen. Im praktischen Einsatz verbessert sich das Leben von Patient:innen mit chronischer Herzmuskelschwäche schlagartig, wenn gleichzeitig mit der Bypass-Operation eine Stoßwellentherapie am offenen Herzen durchgeführt wird. „Erstmals ist es damit möglich, den Herzmuskel substantiell und anhaltend zu verbessern“, sagt Michael Grimm, Direktor der Univ.-Klinik für Herzchirurgie in Innsbruck. Das Team von Michael Grimm unter der Leitung von Johannes Holfeld konnte dies nun in einer klinischen Studie nachweisen.
Weltweit 1,4 Millionen Menschen betroffen
Diese neue Entwicklung, die von der Laborforschung bis zum marktreifen Medizinprodukt in Innsbruck entwickelt wurde. war sogar dem britischen Fernsehen BBC mehrere Berichte wert. Ein großes Team der Med Uni Innsbruck hatte zuvor über viele Jahre an der Methode zur Behandlung der sogenannten ischämischen Kardiomyopathie (Herzmuskelschwäche) geforscht. Die weltweit etwa 1,4 Mio. betroffenen Menschen, im Durchschnitt 68 Jahre alt, leiden insbesondere unter Kurzatmigkeit und einer insgesamt eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit, die zu einer verminderten Lebensqualität führt.
Infolge eines oder mehrerer Herzinfarkte gingen Herzmuskelzellen zugrunde und ließen Narben zurück. Herzmuskelzellen im Randbereich des geschädigten Gewebes fallen bei einem Herzinfarkt allerdings in eine Art Winterschlaf (Anm. engl. hibernating myocardium) und stellen ihre Aktivität ruhend – und dadurch ist dann auch ein Teil des Herzmuskels chronisch mit Blut unterversorgt. Mit der Bypass-Operation, dem häufigsten großen chirurgischen Eingriff in der westlichen Welt, kann lediglich die verbliebene Pumpleistung erhalten, aber nicht wieder verbessert werden.
Wegen großen Erfolgs vorzeitiges Ende der Studie
Den Innsbrucker Wissenschafter:innen ist es nun gelungen, diese Zellen mit Stoßwellentherapie als Ergänzung zur Bypass-Operation wieder aufzuwecken und damit die Pumpleistung des Herzens nachhaltig zu verbessern. „Wir wissen, dass alle fünf Prozentpunkte Verbesserung der Pumpleistung eine signifikante Reduktion der Spitalswiederaufnahmen und eine Verlängerung der Lebenserwartung bringt. Unsere Methode hat im Schnitt eine Verbesserung von fast zwölf Prozentpunkten gezeigt. Das ist spektakulär“, schildert Projektleiter Johannes Holfeld.
Die Behandlung mit Stoßwellen hat sich in der klinisch randomisierten CAST-HF Studie mit 65 per Zufallsgenerator in zwei Gruppen zugeordneten PatientInnen – die Hälfte der PatientInnen erhielt die standardisierte Bypass-Operation, die zweite Gruppe die Kombination Bypass und Stoßwellen – als so effektiv herausgestellt, dass sie wegen des großen Erfolgs in Übereinkommen mit der Ethikkommission vorzeitig beendet werden konnte.
Nachweis der signifikanten Verbesserung des Herzmuskels
„Die Effekte waren noch deutlicher als wir erwartet hatten und so konnten wir schon zu einem frühen Zeitpunkt die signifikante Verbesserung des Herzmuskels nachweisen“, unterstreicht Holfeld. Inzwischen liegen bereits Langzeitergebnisse der ersten, vor vier Jahren im Rahmen der Studie mit der Kombination Bypass und Stoßwellen behandelten PatientInnen vor. „Wir sehen, dass der Effekt stabil bleibt. Das Herz erholt sich und bleibt dann fit“, ergänzt Klinikchef Michael Grimm.
Technisch sind Stoßwellen spezifische Schalldruckwellen, die von der Zelloberfläche Vesikel (Anm. kleine Bläschen) abscheren. Diese Vesikel enthalten Substanzen, die TLR-3 (Toll-like-Rezeptor-3) aktivieren, einen Rezeptor des angeborenen Immunsystems. „Wir konnten nachweisen, dass über diesen Rezeptor Effekte vermittelt werden, die einerseits dazu führen, dass sich Bindegewebszellen in Gefäßwandzellen umwandeln und sich andererseits dann Blutgefäße neu bilden. Das bedeutet, dass in den chronisch mit Blut unterversorgten Herzmuskel neue Blutgefäße einsprossen und dieser dadurch wieder aktiv zur Pumpleistung des Herzens beiträgt“, beschreibt Holfeld den Mechanismus.
Spin-off Unternehmen Heart Regeneration Technologies für Entwicklung und Produktion der Geräte
„Von der Initialidee und der Grundlagenforschung im Labor über die experimentelle Aufklärung des Wirkmechanismus und die Dosis-Findung bis zur Anwendung an den Patient:innen wurden alle relevanten Schritte in Innsbruck durchgeführt“, betont Michael Grimm, Direktor der Univ.-Klinik für Herzchirurgie an der Med Uni Innsbruck.
Zur Entwicklung und Produktion des Geräts als Medizinprodukt der höchsten Sicherheitsklasse wurde zudem das Spin-off Unternehmen Heart Regeneration Technologies GmbH gegründet und das ist ebenfalls in Innsbruck angesiedelt. Holfeld erwartet, dass das Stoßwellengerät für die direkte Anwendung am Herzen Anfang 2025 auf den Markt kommen wird. Die Experten gehen davon aus, dass mehr als ein Drittel aller Herzschwäche-PatientInnen von der Behandlung profitieren, insbesondere jene, die unter einer stark eingeschränkten Pumpleistung leiden.