Gründen aus wirtschaftlichem Druck

Die Hälfte von Jungunternehmungen startet aus existentieller Notwendigkeit. Ein Fünftel ist über 55 Jahre. Gründerlandschaft für Frauen herausfordernd. Zwei von drei Jungunternehmen sind innovationsbasiert, so neue Studie.
(red/czaak) Selbstständig zu sein, ist für viele Österreicher:innen erstrebenswert. Das Unternehmertum hat hierzulande nach wie vor einen hohen Status (76 Prozent) und gilt als attraktive Karrieremöglichkeit. Knapp die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung in Österreich sieht derzeit Gründungsmöglichkeiten, das ist Platz neun von 21 befragten europäischen Ländern. Von der Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung besteht jedoch noch eine große Lücke: Nur acht Prozent planen tatsächlich eine Gründung, Österreich belegt dabei den vorletzten Rang im europäischen Vergleich.
Die Angst vor dem Scheitern
Die Rate der Jungunternehmen ist mit knapp sieben Prozent im europäischen Vergleich relativ niedrig (Rang 18 von 21 europäischen Ländern). Erfreulich ist die weiterhin hohe Rate etablierter Unternehmen mit acht Prozent, bei der Österreich deutlich besser abschneidet. Das sind Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) als größte internationale Vergleichsstudie zum Unternehmertum, wo Österreich regelmäßig teilnimmt. Weltweit beteiligen sich 56 Länder, 21 aus Europa. Die quantitative Erhebung des GEM Österreich basiert auf einer repräsentativen Umfrage der heimischen erwerbsfähigen Bevölkerung (n = 4.620). EY Austria unterstützt als langjähriger Partner.
Ein Hemmschuh bei Neugründungen ist die Angst vor dem Scheitern: 44 Prozent haben Sorge, dass der unternehmerische Plan trotz Gründungsmöglichkeit nicht aufgeht. „Meldungen in den Medien über Insolvenzen, Fachkräftemangel und rückläufige Investitionen können gerade bei Neugründung sehr verunsichern und zur Entscheidung gegen die Selbstständigkeit beitragen“, sagt Florian Haas, Head of Start-Up bei EY Österreich. Aber: „In Österreich wird zwar weniger häufig gegründet, dafür jedoch nachhaltig erfolgreicher“, unterstreicht Haas.
Österreich Spitzenreiter bei älteren Gründern
Beschäftigungs- und Wachstumserwartungen sind zentrale Indikatoren für die wirtschaftliche Dynamik und das Entwicklungspotenzial von Jungunternehmen. Die Anzahl der aktuell Beschäftigten (ohne Berücksichtigung der Eigentümer:innen) in Österreichs Jungunternehmen bleibt auf dem Niveau von 2022: Die Hälfte beschäftigt ein bis fünf Personen, während jedes zehnte Jungunternehmen zwischen sechs und 19 Beschäftigte hat. Jedes dritte Jungunternehmen ist derzeit ein Ein-Personen-Unternehmen, nur drei Prozent beschäftigen mehr als 20 Personen.
Gründungspersonen unterscheiden sich von der restlichen Bevölkerung etwa bei demografischen Merkmalen, Bildungsstand oder Gründungskompetenzen. Das Durchschnittsalter der Jungunternehmer:innen liegt bei 42 Jahren. Ein Viertel ist zwischen 35 und 44 Jahre alt. Stark aufholen tun die 55–64-Jährigen mit einem Anteil von rund 22 Prozent, die Gründungsrate 55+ ist die höchste in ganz Europa. Zurückzuführen ist das unter anderem auf das hohe Ausbildungsniveau, der Akademikeranteil stieg in den letzten zwei Jahren von 22 auf 24 Prozent – Gründer:innen haben zudem deutlich höhere Bildungsabschlüsse als die Gesamtbevölkerung.
Differenziertes Bild beim Thema Frauenanteil
Der Frauenanteil in der österreichischen Gründungsszene erreicht mit 48 Prozent zwar einen neuen Höchststand (2022: 45 %), mit zunehmender FTI-Intensität (Forschung, Technologie und Innovation) sinkt dieser jedoch wieder signifikant ab. Forschende Unternehmen wurden zu weniger als einem Drittel von Frauen gegründet. Bei gemischten Gründungsteam sind die Zahlen ebenfalls rückläufig – 2024 waren es 53 Prozent, 2022 62 Prozent, ein Viertel der Teams ist rein männlich (25 %).
„Auch auf emotionaler Ebene zeigen sich deutliche Unterschiede: Männer schätzen ihre Gründungskompetenzen höher ein als Frauen und haben weniger Angst vor dem Scheitern. Um Chancengleichheit zu fördern, muss bereits in der Entrepreneurship Education angesetzt werden. Österreich liegt in Europa nur auf Rang 19 von 21 bei Unterstützungsangeboten für Unternehmerinnen und auf Rang 14 beim gleichberechtigten Zugang zu Finanzierung“, so Start-Up Experte Haas von EY.
Nachhaltigkeit im Fokus bei Gründungsmotiven
Die Entrepreneurship Education bleibt in Österreich eine zentrale Herausforderung. Seit Beginn der GEM-Erhebungen wird die unternehmerische Bildung an Primär- und Sekundarschulen von Experten als unterdurchschnittlich bewertet. Auch 2024 zeigt sich in diesem Bereich keine Verbesserung, die Bewertung fällt sowohl für die Förderung von Kreativität, Selbstständigkeit und Eigeninitiative, die Vermittlung von Kenntnissen über Marktwirtschaft als auch die notwendige Aufmerksamkeit für Unternehmertum im Schulsystem unterdurchschnittlich aus. Im Bereich unternehmerische Bildung im Hochschul- und Berufsbildungsbereich schneidet Österreich im DACH-Vergleich am schlechtesten ab.
Für Jungunternehmer:innen war im Jahr 2024 das häufigste Motiv für eine Unternehmensgründung in Österreich die Sicherstellung des Lebensunterhalts aufgrund knapper Arbeitsmöglichkeiten, was auch als „Gründen aus Notwendigkeit“ interpretiert werden kann (54 Prozent). Insgesamt nehmen derzeit ökonomische Motive an Bedeutung zu – großer Wohlstand/sehr hohes Einkommen (44 %) ist das zweithäufigste Gründungsmotiv. Doch auch idealistische Motive bleiben wichtig: Vier von zehn Gründenden möchten mit ihrem Jungunternehmen einen positiven Einfluss auf die Welt ausüben.
Österreichs Gründer:innen international verhalten mit Potential in FTI
Ebenfalls konstant ist das Gründungsmotiv „Fortführung einer Familientradition“, welches für zwei von zehn Gründenden ausschlaggebend ist. Vor allem für Jungunternehmer:innen ist die Priorisierung klar: Sechs von zehn stellen soziale und/oder Umwelt-Effekte über Profitabilität und Wachstum (etablierte Unternehmen: 55 Prozent). Bei der Umsetzung dreht sich dieser Spieß derzeit noch um: Etablierte Unternehmen setzen häufiger Maßnahmen als Jungunternehmen, um ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren (55 versus 51 Prozent).
Als kleine Volkswirtschaft ist Österreich stark vom Außenhandel abhängig, Jungunternehmen halten aber die Internationalisierungsgrade von 2022 und fallen damit im europäischen Vergleich von Rang 7 auf 10 zurück. Knapp zwei Drittel der Gründer:innen sind zunächst auf den heimischen Markt fokussiert und geben an, noch keine Kundschaft aus dem Ausland zu haben. Weitere 16 Prozent erzielen weniger als ein Viertel ihres Umsatzes mit internationaler Kundschaft, während jeweils ein Zehntel angibt, dass ihr Kundenanteil aus dem Ausland bereits zwischen 25 und 75 Prozent liegt.
Zwei von drei Jungunternehmen innovationsbasiert
Zwei von drei Jungunternehmen sind innovationsbasiert, jedes fünfte ein Nischenplayer. Die FTI-Intensität österreichischer Unternehmen bleibt stabil, wobei Jungunternehmen durchgehend höhere FTI-Grade als etablierte Betriebe aufweisen. Ein Drittel der Jungunternehmen plant die intensivere Nutzung digitaler Tools, 15 Prozent sehen KI sehr wichtig für das eigene Geschäftsmodell.
Gerade im international gefragten Bereich Forschung, Technologie und Entwicklung liegt viel Potential, das es auszuschöpfen gilt. „FTI-intensive Jungunternehmen sind für den Gründungsstandort Österreich von großer Bedeutung; sie weisen höhere Wachstumserwartungen auf, erkennen Gründungsmöglichkeiten häufiger, haben mehr als doppelt so hohe Internationalisierungsgrade und Beschäftigungserwartungen und zeigen eine stärkere Orientierung an Nachhaltigkeitszielen“, so Haas. Dafür brauche es aber eine gründungsoffene Kultur, die Stärkung der Risikobereitschaft und attraktive Rahmenbedingungen.