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21. Januar 2025

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Steigende Firmenpleiten belasten auch gesunde Betriebe

Steigende Firmenpleiten belasten auch gesunde Betriebepexels.com/junior teixeira

Firmeninsolvenzen steigen um 22 Prozent. Das strahlt auch auf wirtschaftlich stabile Unternehmen aus und kann mittelfristige Folgeschäden verursachen, so eine aktuelle Erhebung von KSV 1870.

(red/czaak) Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung mussten im Jahr 2024 in Österreich 6.550 Unternehmen Insolvenz anmelden. Das sind im Schnitt 18 Firmenpleiten pro Tag. Insolvenztreiber sind der Handel, die Bauwirtschaft sowie die Bereiche Beherbergung und Gastronomie. Darüber hinaus stehen bereits jetzt 79 Großinsolvenzen mit Passiva von über 10 Mio. Euro zu Buche.

Energiekosten und Rohstoffkosten und Personalkosten
Österreichs Wirtschaft ist 2024 von einem Insolvenzschub mit weitreichenden Folgen gekennzeichnet. Es gibt heuer viele sehr große Insolvenzen und verstärkt auch wieder mittelständische Betriebe bei den Gerichten. Anders als zahlreiche Insolvenzen nach der Corona-Pandemie weisen die mittelständischen Betriebe mehr Aktivvermögen auf. Sie sind zwar zahlungsunfähig, haben aber eine gewisse finanzielle Substanz. Ihre Themen sind die Energie-, Rohstoff- und Personalkosten, die sie sehr oft nicht oder in zu geringem Ausmaß weitergegeben haben.

Insgesamt treffen die Pleiten eine große Zahl an Beschäftigten, die sich nun auf dem Arbeitsmarkt wiederfinden. Auffällig ist auch, dass von den Fällen viele Gläubiger betroffen sind. Die Fälle strahlen damit auch auf andere Betriebe bzw. deren Geschäftspartner aus und bergen das Risiko von Folgeinsolvenzen. „Umso mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, desto größer ist die Gefahr, dass damit auch finanziell gesunde Unternehmen mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben und den Anker werfen müssen“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Häufig fehlt die wirtschaftliche Kontinuität
Österreichs Unternehmen haben an vielen Fronten zu kämpfen. Das zeigt auch ihre Geschäftslage, die seitens des KSV1870 regelmäßig erhoben wird. Aktuell sind nur 48 Prozent der Betriebe mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden – der niedrigste Wert seit drei Jahren. Einerseits belasten hohe Energiekosten die Budgets, andererseits schmerzen der Fachkräftemangel, die sinkende Auftragslage und die schleppende generelle Exportnachfrage in Österreich. Von einer Entspannung kann keine Rede sein.

„Die Probleme sind gekommen, um zu bleiben. Zumindest vorerst, wie es den Anschein hat. In naher Zukunft wird es darum gehen, neue Impulse zu setzen und keinen Cent liegenzulassen. Dazu wird es auch eine starke Regierung brauchen, der es gelingt, Unternehmer und Private gleichermaßen zu entlasten“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG.

Insolvenztreiber Handel, Bau, Beherbergung und Gastronomie
Im Zuge der aktuellen wirtschaftlichen Situation betrachtet der KSV1870 auch die Entwicklung rund um die nichteröffneten Insolvenzen. Gegenüber dem Vorjahr wurden heuer um 20 Prozent mehr Fälle mangels Vermögens (insgesamt 2.403 Fälle) nicht eröffnet, da nicht einmal mehr 4.000 Euro zur Deckung der Gerichtskosten vorhanden sind. Aus Sicht des KSV1870 gebe es allein in diesen Fällen ein Volumen von mehreren hundert Millionen Euro, die bei Insolvenzeröffnung einer geordneten Abwicklung zugeführt und damit in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden könnten.

Bei den Branchen verzeichnet der Handel mit 1.146 Firmenpleiten 
(+ 16 Prozent) die meisten Insolvenzen. Einzel- wie auch Großhandel verzeichnen ähnliche prozentuelle Anstiege. Dann folgt die Bauwirtschaft mit 1.069 Fällen (+ 15 ). Während der Tiefbau kaum Pleiten zu verzeichnen hat, sieht es im Hochbau (322 Fälle) und im Baunebengewerbe (738 Fälle) deutlich anders aus. Durch die Probleme der Baubranche weisst auch das Grundstücks- und Wohnungswesen (323 Fälle) einem satten Anstieg von 76 Prozent aus. Beherbergung und Gastronomie folgen mit 826 Fällen (+ 16 Prozent). Diese drei Branchen machen fast die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen aus.

Hohe Fallzahlen finden Fortsetzung
Für das kommende Jahr rechnet der KSV1870 mit 6.500 bis 7.000 Unternehmensinsolvenzen. Der Trend zu hohen Fallzahlen wird aus heutiger Sicht anhalten. Die Wirtschaftsforscher erwarten ein geringes Wachstum, die Lage in Deutschland als Österreichs wichtigstem Handelspartner bleibt voraussichtlich schwierig. „Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass wir puncto hoher Insolvenzzahlen nicht am Ende des Tunnels angekommen sind, sondern uns mittendrin befinden“, so Götze.

Auch, weil Energiekosten, Konsumnachfrage oder geopolitische Entwicklungen weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen haben, und damit auch auf die Insolvenzentwicklung im kommenden Jahr. Zudem wird sich zeigen, welche Entwicklung der Arbeitsmarkt nimmt und wie sich zentrale Branchen, wie etwa die Bauwirtschaft entwickeln. „Das Auslaufen der KIM-Verordnung ist jedenfalls ein guter Schritt, um der Baubranche neues Leben einzuhauchen“, so Vybiral.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 12.12.2024