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05. Mai 2024

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Unternehmensgründung trotz Krise

Unternehmensgründung trotz KriseAMS/Petra Spiola

Geld verdienen, selbst Verantwortung tragen, frei, unabhängig und flexibel sein – das sind die Vorzüge, die jährlich rund 30.000 Österreicher bewegen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Das Arbeitsmarktservice (AMS) trägt dazu bei und unterstützte 2008 mit dem Unternehmensgründungsprogramm 4700 Menschen österreichweit.

Sie haben eines gemeinsam: Sie haben gerade ein Unternehmen gegründet oder sind im Begriff, dies zu tun. Statt Kurzarbeit, einem nicht zufriedenstellenden Job und/oder einem nervenden Chef haben sie den Weg in die Selbstständigkeit gewählt. Gerade in Zeiten der Krise ein mutiger Schritt.
Ariane Halmer hat sich ihren Jobwunsch Ernährungsberaterin erfüllt und ist seit September 2008 ihr eigener Chef. „Mir ist es einfach wichtig, Menschen zu helfen und mit ihnen gemeinsam ihre Gesundheit und Lebensqualität zu verbessern“, betont die 44-jährige Wienerin, die zuletzt fünf Jahre in einer Kunst- und Design-Galerie für Werbung, PR, aber auch Künstler- und Kundenbetreuung sehr vielseitig tätig war. 2007 kam in ihrem damaligen Job plötzlich das „Aus“, Halmer wurde arbeitslos. Ihr Glück war das Unternehmensgründungsprogramm (UGP) des Arbeitsmarktservice (AMS), das sie gut für ihre Pläne nützen konnte. Halmer hatte bereits 2006/07 eine Ausbildung zur Diplom­ernährungstrainerin an der Vitak (Vitalakademie) mit Auszeichnung absolviert. Das UGP half ihr dabei, sich als Ernährungsberaterin tatsächlich selbstständig zu machen.

ÖSB betreut Gründer
Die Arbeitslosigkeit ist für viele Menschen der Anstoß, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. 1996 wurde daher vonseiten des AMS das Unternehmensgründungsprogramm (UGP) gestartet, seit 1999 läuft es österreichweit. Betreut wird das Programm in Wien von ÖSB Consulting. Zunächst wird in der Klärungsphase abgecheckt, „ob die Gründungsidee etwas taugt beziehungsweise ob man tatsächlich davon leben kann“, erklärt Gerhard Mikula, UGP-Leiter in Wien bei ÖSB Consulting. Nicht jeder Gründungswillige darf mitmachen, „wir haben eine Aufnahmequote von rund 50 Prozent“, verweist Mikula einerseits auf das Ausleseverfahren und freut sich andererseits über das große Interesse am UGP.
Der große Vorteil für die Teilnehmer: Das Programm läuft sechs Monate. Innerhalb dieses Zeitraums soll gegründet werden. Wer aufgenommen ist, erhält weiter die AMS-Bezüge. Neben der persönlichen Betreuung durch einen ÖSB-Berater, in Wien gibt es davon zwölf, können die Teilnehmer auch aus einem umfangreichen Workshop-Programm von 37 ein- bis zweitägigen Kursen in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Persönlichkeitsbildung wählen.

Frauen und Migranten
Auch nach der erfolgten Gründung werden die frisch gebackenen Unternehmer nicht allein gelassen. Alle zwei Monate erfolgt der Start für ein „Erfolgsteam“ mit etwa 25 Teilnehmern, eine Maßnahme, die sich als „gutes Netzwerk und zum regelmäßigen Austausch der Jungunternehmer bewährt hat“, weiß UGP-Projektleiter Mikula. Die Nachbetreuungsphase dauert zwei Jahre. Zudem bietet das UGP zwei spezielle Schwerpunkte: für Frauen und für Diversity Management. „Über ein Drittel der Gründer in Wien sind Personen mit Migrantenhintergrund“, berichtet Mikula, der stolz auf die Erfolgsrate der UGP-Teilnehmer verweist: „Nach fünf Jahren sind rund drei Viertel der Teilnehmer immer noch selbstständig, nur sechs Prozent fallen wieder in die Arbeitslosigkeit zurück.“
„Ich finde das UGP wirklich großartig, es ist eine sehr hilfreiche Unterstüzung, sowohl fachlich als auch in sozialer Hinsicht“, ist Ernährungsberaterin Halmer voll des Lobes. „Wir haben zurzeit sehr viele Anfragen, vor allem im IT-Bereich wollen sich sehr viele selbstständig machen“, ortet Gerhard Mikula einen Trend. Genau das hat Martin Eder aus Linz realisiert. Nach einem Informatik-Studium und zwölf Jahren Angestelltendasein bei einem IT-Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt E-Learning wollte der Ober­österreicher endlich sein eigener Herr sein. Im Juni 2008 hat er mit 9Quadr.at Software Development sein eigenes Unternehmen gegründet. „Durch die finanzielle Unterstützung des UGP ist eine gute Vorbereitung auf die Unternehmensgründung möglich“, konnte auch Eder vor allem das vielfältige Workshop-Programm im Vorfeld der Gründung gut für sich nützen. Zwar sei es schon schwierig, „sich als Selbständiger jetzt um viel mehr Dinge als ein Angestellter kümmern zu müssen“, aber für den ambitionierten IT-Experten und Vater zweier Buben überwiegen eindeutig die Vorteile: freie Zeiteinteilung, die flexiblere und spontanere „Aufteilung“ von Beruf und Familie sowie die eigene Entscheidungsvielfalt. Besonders freut ihn, dass Kunden, die er sich über Jahre langsam aufgebaut hat, seine Entscheidung gutheißen und mitgegangen sind. 2009 ist für den Linzer das Jahr der Produktentwicklung. „Ich habe einen Partner aus der Möbel­industrie gefunden, mit dem ich ein Präsentations- und Visualisierungssystem für Möbelhersteller, Möbelhändler und Architekten entwickle“, erzählt Eder. Die Markteinführung ist für das Jahr 2010 geplant.

Mut zur Gründung haben
„Die größte Schwierigkeit war, den Schritt zu setzen, sich vom vermeintlich ‚sicheren‘ Angestelltenverhältnis zu verabschieden und in die ungewisse Selbstständigkeit zu gehen“, gab Heidrun Unterweger Einblick in das wohl größte Hemmnis vor der Gründung. Die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin träumte bereits seit dem Teenager-Alter davon, selbstständig zu werden. Nach fast sieben Jahren Tätigkeit in der Telekom-Branche für UTA/Tele2 gründete die UGP-Teilnehmerin im Sommer 2007 B-Dressed. Das Ergebnis: Unter www.b-dressed.com ist seit einem Jahr ein Online-Shop für Streetwear mit Fokus auf Organic Fashion und Fair Trade zu finden. „Die Nachfrage nach organic Fashion wird aus dem gesamten EU-Raum immer größer, deshalb wird es 2009 auch eine englische Version geben“, so Unterweger.
„Seit Einführung des Gründungsprogramms im Jahr 1999 hat sich die Zahl der gegründeten Unternehmen von 2000 auf rund 4700 mehr als verdoppelt“, freut sich AMS-Sprecherin Beate Sprenger. 30.087 Firmen wurden übrigens im Vorjahr in Österreich gegründet, etwas weniger als 2007 (30.304). Das Durchschnittsalter der Gründer betrug 36 Jahre, 40 Prozent waren Frauen. Eine sehr hilfreiche Anlaufstelle für alle, die planen, selbst Chef zu werden, ist das Gründerservice der Wirtschaftskammer.

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Economy Ausgabe 72-04-2009, 24.04.2009