Stromlösung steht vor Blackout
Entgegen den öffentlichen Liebesschwüren sind sich die heimischen Strombosse in den vierjährigen Verhandlungen zur österreichischen Stromlösung überhaupt nicht näher gekommen. Anstatt mit Hochdruck Kooperationsansätze zu suchen, arbeitet so mancher an einem eleganten Ausstieg, ohne aber dafür den schwarzen Peter zu kassieren.
In der E-Wirtschaft sprühen die Funken. Vier Jahre nach dem Beginn der Verhandlungen zur großen österreichischen Stromlösung (Ösl) droht den Verhandlungen der beteiligten Unternehmen im Endspurt der Saft auszugehen. In der Ösl wollen der Verbund sowie die EnergieAllianz aus den Landesversorgern EVN, Wienstrom, Bewag, Energie AG Oberösterreich (EAG) und die Linz AG wesentliche Teile ihrer Stromgeschäfte zusammenspannen. Der Verbund hat fünf Minuten vor zwölf neue Forderungen für eine Zustimmung zur elektrischen Ehe auf den Tisch gelegt. Er verlangt die Quadratur des Kreises: Trotz gemeinsamer Stromlösung soll der Wettbewerb der beteiligten Firmen weitergehen. Zweite Forderung: Wenn ein Unternehmen aus der Allianz aussteigt, soll der Verbund ein Aufgriffsrecht erhalten.
Das ist eine weitere Hürde für die seit April 2002 laufenden Gespräche über die Schaffung größerer Einheiten in der EWirtschaft. Nun läuft den Verhandlern die Zeit davon, denn Deadline für einen Abschluss ist laut Insidern Ende März. So mancher Stromboss wird sich wohl im stillen Kämmerlein freuen, sollte die von der Regierung favorisierte Lösung nicht Realität werden. Öffentlich will niemand an der Ösl zweifeln, denn dann hätte man den schwarzen Peter. Besonders in Oberösterreich hat die Ösl alles andere als einen guten Klang: Nun steht in Linz gar die Energie-Allianz zur Disposition. Ende März können die beteiligten fünf Unternehmen den Kooperationsvertrag verlängern oder aufkündigen. Die Linz AG denkt schon laut über einen Ausstieg aus der Vertriebs- und Großhandelsallianz nach. Mitmachen will man nur, wenn der Vertrag mit den Allianz-Partnern alle fünf Jahre gekündigt werden kann. Mit einer kolportierten Vertragslaufzeit bis zum Jahr 2022 will sich die Linz AG nicht abfinden. Alles andere als im siebten Himmel ist auch die Energie AG Oberösterreich. Weil aber EVN, Wienstrom und Begas ein Viertel an der EAG halten, ist ein Allianz-Ausstieg für das Unternehmen nur eine theoretische Option. Denn das Land müsste dann den drei Versorgern die Kaufsumme (420 Mio. Euro) zurückerstatten.
Auch im Verbund gibt es Kräfte, die nicht gerade Fans der Ösl sind. Diese favorisieren eine Kooperation mit der steirischen Energieholding Estag und der Energie AG Oberösterreich. Damit wäre man nach sieben Jahren Verhandlungen am Ausgangspunkt aller Kooperationspläne angekommen. 1999 wollte Verbund-Vorstandschef Hans Haider mit der steirischen Energieholding Estag und der EAG zusammengehen. Zurück in die Zukunft Gescheitert war dies am Veto von EVN, Wienstrom und Tiroler Tiwag, die eine Sperrminorität am Verbund halten. Auch der zweite Partnerschaftsversuch des Verbunds hatte glücklos geendet. Im Juli 2001 hatte der Konzern eine wässrige Ehe mit dem deutschen Atomstromriesen E.On ausgehandelt, diese war am innerösterreichischen, auch medialen Widerstand (Schlagwort „Ausverkauf der Wasserkraft“) gescheitert. Der Deal war unter Pomp im Kanzleramt in Wien verkündet worden. Nur ein Jahr später (April 2002) wurde ebenfalls im Kanzleramt die Ösl als Stein der Waisen beschworen. Vorangegangen war der energiepolitischen Wende ein Machtwort von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Um die Stromlösung doch zustande zu bringen, wartet man auf ein weiteres Machtwort. Denn eines ist auch Ösl-Kritikern klar: Platzen die Gespräche, haben alle Beteiligten viel Geld und viele Stunden ergebnislos investiert. Nicht unbedingt als Freund der Ösl gilt auch der EVN-Groß- aktionär, die deutsche Energie Baden-Württemberg (EnBW). Verhindern könnte sie den Deal wegen der EVN-Satzung nicht.
Ungeachtet dessen haben die Schwaben peu à peu knapp 30 Prozent des niederösterreichischen Landesversorgers erworben. Pläne, weiter aufzustocken, hat die EnBW laut einem Firmensprecher auf Eis gelegt. Rittern um den Chefsessel Auch wenn der Vertrag von Verbund-Vorstand Hans Haider erst 2008 ausläuft, hat das das Karussell mit den möglichen Nachfolgekandidaten schon Fahrt aufgenommen. Wer künftig die Geschicke des Wasserkraftkonzerns bestimmt, hängt maßgeblich von der Politik ab. Das letzte Wort bei der Postenbesetzung hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, meinen Insider. Der Verbund solle ungeachtet des Ausgangs der Nationalratswahlen schwarz bleiben oder gar noch schwärzer werden. Derzeit steht es in der Polit-Farbenlehre im VerbundVorstand zwei zu eins für die Kanzlerpartei: Neben Haider ist auch Finanzchef Michael Pistauer ÖVP-nahe, ein prononcierter Roter ist Hannes Sereinig. Die besten Chancen für die Neubesetzung des Chefsessels beim Verbund geben Insider Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Generalsekretärin des Verbands der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ), VP-Nationalratsabgeordnete und ExKabinettschefi n von Schüssel. Ihr Manko: Sie hat keine Vorstandserfahrungen. Gleiches gilt für Stromregulator Walter Boltz: Ungeachtet der Verlängerung seines Vertrags bei der E-Con-trol liegt er gut im Rennen. Ebenfalls als HaiderNachfolger gehandelt wird Leo Windtner, Chef der Energie AG Oberösterreich. Gegen ihn spricht, dass er aus einem Bundesland kommt. Gleiches gilt für den auch ins Spiel gebrachten Günter Ofner, den „schwarzen“ Vorstand im „roten“ burgenländischen Landesversorger Bewag.
Ausgewählter Artikel aus Printausgabe 04/2006